Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel IV

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

Da sich die Kosten beim Überdachen des Fernsehturms verzehnfacht hätten, hatte man einfach ein Loch in der Decke des Sarkophags gelassen, so dass die Kugel nun 20 Meter über dem neuen Boden schwebte. Durch den Turm bestand eine sichere Verbindung nach unten, weshalb die Städtische Schutztruppe alles im Umkreis von 100 Metern platt machte, um dort ihre Hauptkaserne zu errichten, von der aus sie immer wieder Missionen in die Unterwelt schickte. Unten am alten Fuß des Turms waren Bewegungsmelder, vollautomatische Waffen und Minenfelder dazu da, die Katakombenkrüppel davon abzuhalten, nach oben durchzubrechen. Es gelang ihnen niemals. Niemand konnte die Städtische Schutztruppe überwinden. Sie waren Schild und Schwert des Bürgerpräsidenten im Kampf um eine friedliche Gesellschaft, sie waren das Bollwerk gegen die Barbaren aus der Unterwelt.

Nach dem Yogakurs hatte Isabells Vater ihr geraten, sich mit Edgar an der Hauptkaserne zu treffen und mit ihm den restlichen Tag verbringen, um seine siegreiche Rückkehr von der Mission zu feiern. Sie wartete am Haupttor auf ihn. Er kam in zackigem Schritt und seiner schneidigen Ausgehuniform aus der Empfangsbaracke. Sein Gesicht war haarlos und er hatte ein frisches Pflaster an der linken Wange.
"Was ist passiert?", fragte Isabell.
"Ach nichts, das ist nur ein Kratzer. So ein Gothreak hat versucht, mir das Auge mit seinen Krallenringen auskratzen", sagte Edgar.
"Klingt schlimm, was ist eigentlich ein Gothreak?"
"Das sind irgendwelche irren Katakombenbewohner, die gerne Vampire wären, Blut trinken und sich für was Besseres halten. Die tragen meist unglaublich viel Silberschmuck mit sich herum, so dass es schon wieder wie ein Kettenpanzer wirkt."
"Heißt es nicht, dass die ihre Waffen mit Gift behandeln, so dass nur der kleinste Kratzer tödlich ist?"
"Häufig schon, aber wie du siehst, stehe ich putzmunter vor dir", antwortete Edgar.
Sie hatten mittlerweile den Tiergarten erreicht und bewegten sich auf die Siegessäule zu; währenddessen erzählte Edgar von seiner Mission in den Katakomben. Sie hörte jedoch nur halb hin, da sie mit den ganzen Fachbegriffen, die er benutze, nichts anfangen konnte. Als sie kurz vor dem großen Stern waren, brach fünf Meter vor ihnen der Asphalt auf. Eine Gruppe von Wesen kletterte aus dem Untergrund und begann eine Art Freudentanz.
"Schnell, lauf weg! Das sind Katakombenkrüppel", schrie Edgar und eröffnete sofort das Feuer auf die Wesen.
Isabell versteckte sich hinter einem Baum und sah, wie eins der Wesen, das ungefähr einen Meter groß war und überhaupt nicht gefährlich aussah, mit ausgebreiteten Armen auf Edgar zu lief. Er schoss ihm einmal in den Bauch und einmal in den Kopf. Das Monster brach auf der Stelle tot zusammen. Jetzt kamen aus allen Richtungen Einsatzfahrzeuge der Schutztruppe, kesselten die überraschten Eindringlinge ein und schossen wahllos auf sie.
Bei einem erneuten Blick erkannte Isabell, welch grauenerregende Kreatur Edgar da so heldenhaft niedergestreckt hatte und zwar ein einfach nur sehr schmutziges sechs Jahre altes Mädchen. Isabell schlug sich die Hände vors Gesicht und rannte weg. Plötzlich stolperte sie und erwartete, dass sie sich gleich das neue Leinenkleid am Gras und der Erde ruinieren würde. Doch das war kein Rasen auf den sie fiel, das war gar nichts, nur eine unendlich anmutende Dunkelheit.