Kino ohne Talent
roman

Das Grauen der Tiefe: Kapitel XXV

09.09.2010 - 12:42 von Redaktion

Der Falke war einer der erfolgreichsten Heckenschützen von Altberlin. Er hatte bei der R.S.K. und bei den Schwarzen Wölfen mehr Todesopfer gefordert als irgendjemand sonst. Man sah stets nur, wie sein Opfer tot umfiel und fand wenig später in der Nähe sein Stencil, in Form eines angreifenden Falken.

Er schlich lautlos über das Dach, kroch vorsichtig zum Rand und spähte herüber. Sehr gut, er hatte ein freies Schussfeld. Langsam und bedächtig, um sich nicht zu verraten, packte er sein Gewehr aus, baute das Zweibein auf und zielte. Plötzlich hörte er hinter sich ein Knirschen. Er bekam einen Schlag ins Genick und wurde ohnmächtig.
Ein unerträglicher Schmerz im rechten Auge ließ ihn wieder zu Bewusstsein kommen. Sie hatten ihn überrumpelt und sein rechtes Auge ausgestochen. Zwei der drei Schergen hielten ihn am Boden, ein dritter kniete, mit einem Dolch der R.S.K. in der Hand, auf seiner Brust.
"Das war für den Genossen Oberst, den du neulich so feige in einem Hinterhalt getötet hast", sagte er.
"Das Schwein hat meine Schwester auf dem Gewissen, nur weil sie nicht mit ihm ficken wollte!" erwiderte der Falke.
"Der Genosse hat sie als Feindin der Arbeiterklasse und Gegnerin der kommunistischen Weltrevolution enttarnt und zur Rechenschaft gezogen", sagte der mit dem Dolch, "Und du hast dich des selben Verbrechens schuldig gemacht."
"Und werdet ihr mich jetzt auch wehrlos erschießen?"
"Nein, wir werden dich vom Dach stoßen, das ist viel einfacher und spart Munition."
Er trat ihm mit aller Kraft in den Bauch, seine Genossen zogen ihn an den Armen zur Dachkante und stießen ihn runter. Er schlug bäuchlings auf dem ersten Balkon auf, welcher unter der Wucht und dem Gewicht nachgab und auf den darunter liegenden fiel. Schon beim ersten Aufschlag waren unerträgliche Schmerzwellen durch seine Körper gefahren, die ihm fast die Besinnung raubten. Das ganze Spiel wiederholte sich bei allen Balkonen bis er unten auf dem Gehweg aufschlug und endgültig das Bewusstsein verlor. Die R.S.K.-Soldaten schauten ihm nach.
"Sollten wir nicht noch mal gucken, ob er auch wirklich hinüber ist?", fragte einer.
"Ach komm, ihm fehlt ein Auge, er ist fünf Stockwerke tief gefallen, mehrmals aufgeschlagen. Selbst wenn er noch lebt, gibt es noch tausend anderen Dinge, die ihn jetzt umbringen werden. Das einzige, was hier sicher ist, ist der Tod", kam als Antwort.
Als der Falke wieder zu sich kam, war niemand in der Nähe, der es bemerkte. Er dachte nach, wo er jetzt am sichersten war. Das RAW, Thuls Werkstatt, war zwar auch eine Todesfalle, aber nur, wenn Thul einen nicht leiden konnte, und eigentlich waren Thul und er immer gut ausgekommen. Er machte sich auf den Weg dorthin. Während des Weges torkelte und stolpert er dauernd, so dass er für den Weg doppelt solange brauchte wie üblich. Er erreichte die Freifläche vor Thuls Werkstatt, die Thul gerne als seinen "Vorgarten" bezeichnet. Für seine Feinde war es der Vorhof zur Hölle. Als er sie betrat, flammten Scheinwerfer auf und eine Alarmsirene fing an zu heulen.
Zehn Sekunden später ertönte über Lautsprecher: "Hände Hoch! Freund oder Feind?"
"Freund!", brüllte der Falke und kippte ohnmächtig vorne über.